Als Julia und ich überlegt haben, eine 3-monatige Auszeit zu nehmen und nach dem Reiseziel für diese Zeit suchten, haben wir uns schnell für Osteuropa entschieden. Zum einen schien es praktisch: Wir müssen nicht fliegen. Es ist günstig zu leben. Und es ist uns fremd.
Schon komisch, ich bin schon zig mal nach Nord- oder Südamerika gereist, aber nie in die östlichen Nachbarländer. Brasilien, Chile oder Ecuador kenne ich besser als Ungarn, Tschechien oder Kroatien. Also das wollen wir ändern. Und wir wollen diese Reise auch mit einer Fragestellung versehen. Denn oft ist von einem Bruch zwischen West- und Osteuropa zu lesen und zu hören, gerade in Sachen Flüchtlingspolitik. Aber auch was Finanzpolitik angeht. Und vor allem: Bezüglich der Idee eines vereinten Europas.
In den kommenden drei Monaten wollen Julia und ich also gerne herausfinden, was die Menschen entlang unserer Reiseroute über Europa denken, was sie sich wünschen, und was sie daran nervt. Aber auch, was sie gerade interessiert, beschäftigt, sorgt, erfreut… Gibt es also wirklich diesen Bruch, und wenn ja, woran kann man ihn festmachen?
Gehe ich von mir aus, dann gibt es vielleicht keinen Bruch, wohl aber eine gewisse Distanz. Mindestens jedoch eine gefühlte Unsicherheit Richtung Osten. Denn denke ich an unsere kommenden Reiseländer wie Kroatien, Albanien, Montenegro, Rumänien, Bulgarien, dann habe ich eigentlich keine Ahnung, was mich erwartet. In Irland oder Finnland hätte ich die schon, obwohl ich da auch noch gar nicht oder nur ganz kurz war.
Und dennoch merke ich, dass ich schon mit ein paar klassischen Stereotypen und negativen Klischees im Gepäck auf diese Reise gehe. Ich glaube nicht, dass alle Polen, Ungarn oder Serben ausländerfeindlich sind. Aber ich merke, dass mich die Flüchtlingsdebatte, rund um die Aufnahmebereitschaft dieser Länder oder die Berichterstattung über den Umgang mit Flüchtlingen im Land und entlang der Balkanroute beeinflusst haben. Oder die Justizreform der polnischen Regierung. Da frage ich mich: Wer kann so einen Kurs unterstützen? Ich besitze also schon ein teilweise negativ geprägtes Image dieser Länder und ihrer Bewohner, obwohl ich noch nie dort war.
Auf dieser Reise soll es deshalb vor allem darum gehen, sich von diesen Vorurteilen zu lösen und sich für diese Fremde zu öffnen. Um sich sein eigenes Bild zu machen. Im Endeffekt wird es wohl so sein wie immer: Manches wird sich bestätigen, manches nicht. Pauschalurteile funktionieren ohnehin nicht.
Dass ich mit dieser vorgeprägten Haltung nicht alleine bin, haben mir aber manche Reaktionen gezeigt, die ich auf unsere Reisepläne aus unserem Umfeld bekommen haben. „Mit dem Auto hin, mit dem Flugzeug zurück“, hieß es da oft im Scherz. In Anspielung darauf, wie schnell unser alter Volvo wohl geklaut werden würde. Ja, mal sehen. Vielleicht wird er ja auch schon in Bayern aufgebrochen. Oder gar nicht.