Das Erste, was meine Freundin Eva antwortete, nachdem ich sie nach Tipps für Kroatien fragte war: „Prüft immer alle Rechnungen, denn alle Kroaten sind kleine Gauner.“ Ein Scherz natürlich, denn Eva ist wohlgemerkt selbst halbe Kroatin. Sie muss es also wissen.
„Kleinen Gaunern“ sind wir in Kroatien aber gar nicht begegnet. Oder na ja, wie man’s nimmt. Boris zum Beispiel. Er verleiht Surfbretter, Fahrräder usw. am Kap Karmenjak. Er hat uns Tennisschläger gratis ausgeliehen, nachdem er uns lange erzählt hatte, warum es früher in Kroatien besser war als heute. Damals zu den sozialistischen Zeiten, da ging es, seiner Meinung nach, nicht nur dauernd ums Geld. Damals war das Wichtigste die Familie und die Gemeinschaft. Das hat sich heute geändert, meint er. Heute glaube jeder, Geld sei das Wichtigste und dass man sich damit alles kaufen könne.
Es gäbe in jüngster Zeit immer häufiger Kunden, sagt Boris, die interessiere es nicht, ob gerade eine Schlange ansteht, um Surfbretter auszuleihen. Die gehen einfach daran vorbei und sagen im Befehlston, was sie haben wollen. Aber nicht mit Boris. Der wird dann schon mal laut und schmeißt sie einfach vom Gelände, wenn sie nicht spuren. Heute müsse man einfach aufpassen, dass einem nicht jeder irgendwie übers Ohr hauen wolle, glaubt Boris, und hat dafür noch viel drastischere Worte verwendet.
Die Kunden, die sich am meisten vordrängeln, die seien aus Russland, sagt Boris von sich aus. Sie kommen eben aus einem ehemaligen sozialistischen Land, das der Kapitalismus jetzt überfordert. Die wüssten nicht wohin mit ihrem Geld. Aber bei ihm laufe das nicht.
Und unsere Tennis-Schläger mussten wir nicht bezahlen, weil er den Amerikanern vor uns das Doppelte abgeluchst hatte. So sorgt Boris in seiner Welt für mehr Gerechtigkeit.